Schweigend steht der Wald by Fleischhauer Wolfram

Schweigend steht der Wald by Fleischhauer Wolfram

Autor:Fleischhauer, Wolfram [Fleischhauer, Wolfram]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426420485
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-11-19T16:00:00+00:00


29

Etwas hatte sich verändert an diesem Morgen. Grossreither stellte Fragen über Fragen. Wo hatte sie die Bache geschossen? Wann? Auf welche Entfernung? Es stand alles in ihrem Bericht. Aber aus irgendeinem Grund wollte er es noch einmal aus ihrem Mund hören, sei es, um zu kontrollieren, dass wirklich alles regelgerecht abgelaufen war, sei es, weil er seine Zweifel an ihren Fähigkeiten ausgeräumt, sei es, dass er sie bestätigt sehen wollte.

Der Mann war ihr in seiner ganzen bärbeißigen Art zu fremd, als dass sie sich einen Reim auf seine Stimmungsschwankungen hätte machen können. Sicher war: Sie hatte das geschossene Stück ordentlich abgeliefert. Der Veterinär war schon da gewesen, hatte Proben für die Untersuchung auf Trichinen und andere Parasiten entnommen und Grossreither gegenüber lobend bemerkt, dass der Jäger den Zwerchfellpfeiler hatte stehen lassen.

Was Grossreithers Gesichtsausdruck allerdings zu bedeuten hatte, als er Anja diese Anerkennung zutrug, war schwer zu sagen. Echte Freude oder Zufriedenheit darüber drückte seine Miene jedenfalls nicht aus, sondern eher eine Art verdrießlichen Stolz.

»Hören Sie, Frau Grimm«, sagte er dann. »Das haben Sie gut gemacht. Bravo. Saubere Arbeit. Und wenn ich Sie gestern vielleicht ein wenig barsch angefahren habe, tut es mir leid.«

»Kein Problem«, antwortete sie und schaute voller Unbehagen an ihm vorbei an die Wand.

Er ging zur Tür, verließ den Raum jedoch nicht, sondern schloss die Tür, kehrte zum Schreibtisch zurück, legte seine Post darauf ab und setzte sich ihr gegenüber.

»Meinen Sie nicht«, begann er, »Sie hätten mir das mit Ihrem Vater erzählen sollen, als Sie hier angefangen haben?«

»Warum?«, antwortete sie leise. »Erzählen Sie jedem Ihre Lebensgeschichte?«

»Na hören Sie mal«, gab er entrüstet zurück. »Das ist ja wohl etwas anderes. Ich hätte Sie doch niemals in den Leybachforst geschickt, wenn ich gewusst hätte, dass Sie die Tochter von diesem Lehrer sind, der hier verunglückt ist.«

»Eben. Vielleicht habe ich es ja deshalb nicht erzählt, weil ich keine Sonderbehandlung will.«

Grossreither verstummte einen Moment. Anja wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Die Situation war ihr peinlich. Es fiel ihr immer schwer, über diese Sache zu sprechen, und Grossreither war der Letzte, mit dem sie über ihren Vater reden wollte.

»Die Gollas und die Leybacher sind jetzt in einer ziemlich blöden Lage. Deshalb reagieren die gereizt, und das bekomme vor allem ich ab. Das ganze Gerede macht die ganz kirre. Deshalb die Beschwerde über Sie. Verstehen Sie?«

»Gerede?«, fragte Anja. »Was für ein Gerede?«

Grossreither senkte die Stimme. »Na ja, es ist ja bekannt, dass die Gollas seit Jahren versuchen, den Leybachwald zu übernehmen und zu bewirtschaften. Aber der Xaver war ums Verrecken nicht dazu zu bewegen, dass in dem Wald irgendetwas gemacht wird. Der hat diesen Forst regelrecht bewacht. Wie ein scharfer Hund. Seit geraumer Zeit ist gar keiner mehr dort hineingegangen, weil der Xaver jeden anraunzte, der sich dort blicken ließ. Sie haben es ja am eigenen Leib erfahren.«

»Ja. Und niemand hat mich davor gewarnt.«

Grossreither verzog bekümmert das Gesicht. »Ja, richtig. Aber dass es inzwischen so schlimm mit ihm war, wusste ich ja nicht. Manche behaupten jetzt, der Unglücksfall käme denen nur recht. Die rackern sich mit der Landwirtschaft ab, die kaum noch etwas abwirft.



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